Ras Kass: „Ich war so gut wie obdachlos“

Er gilt als einer der besten Rapper seiner Generation, doch Jahre im Knast und Label-Zwist warfen Ras Kass in seiner Karriere immer wieder zurück. Ein Gespräch über Geld.

Angelegt ist alles schon 1979 im ersten Hip-Hop-Hit. Die Sugarhill Gang gibt damals mit „Rapper’s Delight“ die Stoßrichtung vor: „Hear me talk about checkbooks, credit cards, mo’ money than a sucker could ever spend.“ 40 Jahre später hat der Hip-Hop noch immer kein Thema gefunden, das ihn brennender interessiert als dicke Bankkonten – mit all den fetten Schlitten und drallen Hoes, die das so mit sich bringt.

Langsam wird die Nummer ermüdend, finden wir und haben uns mit einem Rapper unterhalten, der vom Privatjet-Lifestyle so weit entfernt ist wie das Eichhörnchen vom Führerschein. John Austin, besser bekannt als Ras Kass, wird zwar in der Szene für sein außergewöhnliches Talent gefeiert und bekommt Beats von Producer-Schwergewichten wie Dr. Dre oder DJ Premier auf den Leib geschneidert – pleite blieb er im Vergleich zu seinen Homies aus der Oberliga trotzdem.

Ras, wo hast du dein erstes Geld verdient?
Bei McDonald’s.

Eine gute Erfahrung?
Die Managerin der Filiale mochte mich, also bestand meine Arbeit in der ersten Woche eigentlich nur darin, Chicken Nuggets zu futtern. In der zweiten Woche konnte sie mich nicht mehr ausstehen und ich musste die Toiletten putzen. Das war’s dann für mich.

Welcher Job kam als nächstes?
Das war neben dem Rappen der einzige Job, den ich je hatte.

Mit der Musik ist es bei dir finanziell oft eher schlecht gelaufen, kam dir nicht mal der Gedanke umzusatteln?
Nach der Erfahrung bei McDonald‘s hatte ich auf jeden Fall geschnallt, dass ich kein guter Angestellter bin. Meine Mutter gehörte zur Mittelschicht, hat immer hart gearbeitet und auch gutes Geld verdient, aber sie hasste ihren Job. Manchmal musste sie weinen, bevor sie zur Arbeit ging.

Was für einen Beruf hatte deine Mutter?
Sie war Bezirksangestellte in Los Angeles. Später hat sie beim Jugendamt gearbeitet. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie sie mir eines Morgens sagte: „Arbeite nie in einem Job, den du hasst.“ Daran habe ich mich gehalten.

Mit Geld kannst du dir keine Liebe kaufen, aber es hält dir sehr viel Pussy auf Vorrat.

Ras Kass

Wann konntest du mit Musik zum ersten Mal eine größere Summe verdienen?
Bei meinem ersten Auftritt im Unity.

… einem in Sachen Hip-Hop legendären Club in Los Angeles …
Ja, damals war ich einfach nur froh, dass mich niemand von der Bühne buhte. Am Ende der Nacht drückte mir der Clubbesitzer ein Bündel Scheine in die Hand. Ich dachte: „Ernsthaft? Das hätte ich auch umsonst gemacht.“ Richtig Geld habe ich aber erst gesehen, als ich bei Priority Records unterschreiben konnte. Ich war mit Jay-Z und Snoop Dogg auf einem Label und bekam eine halbe Million Dollar Vorschuss. Davon musste ich aber auch Samples clearen, Produzenten bezahlen und so weiter. So viel blieb also nicht übrig.

War es schwer, plötzlich mit hohen Beträgen zu wirtschaften?
In Amerika wird jungen Leuten nicht wirklich beigebracht, wie man mit Geld umgeht. Vor allem im Ghetto passiert das in den Highschools überhaupt nicht. Aber auch meine Eltern haben uns in dieser Beziehung nichts erklärt. Was mich wütend machte. Ich weiß noch, wie ich meiner Mutter sagte: „Ich habe jetzt so viel Geld zur Verfügung und weiß nicht mal, wie man einen Scheck ausstellt.“ Das war frustrierend.

Ras Kass: „Keiner im Viertel spart etwas, und am Ende müssen die Hinterbliebenen einen Kredit aufnehmen, um die Beerdigung ihrer Angehörigen zu bezahlen.“ (Foto: Gaby Schütze)


Was hast du dir als Erstes gekauft, als die halbe Million auf deinem Konto lag?
Zwei Toyotas. Einen für meine kleine Schwester und einen für mich. Es war ein gutes Gefühl, meinen Eltern diesen finanziellen Stress ersparen zu können. Und hey, ich bin froh, dass ich meiner Schwester und nicht irgendeiner Stripperin ein Auto gekauft habe.

Hat das Geld dich glücklich gemacht?
Nein. Ich glaube, zum Glück muss man sich entscheiden. Lass es mich so ausdrücken: Mit Geld kannst du dir keine Liebe kaufen, aber es hält dir sehr viel Pussy auf Vorrat.

Was auch seine Probleme mit sich bringen kann.
Wie sagt man so schön: Man lockt mehr Fliegen mit Honig als mit Essig an. Ich kenne Menschen aus Familien, die seit sechs Generationen im Geld schwimmen. Wenn du denen auf der Straße begegnest, weißt du nicht sofort, dass sie reich sind. Sie haben nicht das Bedürfnis, zu zeigen, was sie besitzen. Denen geht es eher darum, die richtigen Menschen zu kennen. Und die triffst du nicht, wenn du mit einem Ferrari vorfährst. Geld offenbart, wer du wirklich bist. Wenn du viel Kohle hast und ein Pädophiler sein willst, wirst du einfach ein größerer Pädophiler – wie R. Kelly.

Du bist schon in großem Stil finanziell gescheitert. Woran lag das?
Ich habe den falschen Leuten vertraut. Aber das gehört zu den Lektionen des Lebens, die man durchmachen muss. Und da es nun mal keine Zeitmaschine gibt, spielt das heute alles auch keine Rolle mehr. Reue ist ein sinnloses Gefühl.

Ich nehme an, deine Knastaufenthalte bedauerst du schon?
Insgesamt habe ich rund sechs Jahre meines Lebens im Gefängnis verbracht – das ist nicht cool und ich bin alles andere als stolz darauf. Aber Menschen müssen nun mal Fehler begehen und harte Zeiten durchmachen, um wachsen zu können. Warum saß ich immer wieder ein? Ich war ein Idiot, der sich Leuten gegenüber loyal zeigte, die es im Gegenzug leider nicht waren. Man hält seinen Kopf hin für Homies, die es nicht mal schaffen würden, dir auf den Schädel zu pinkeln, wenn deine Haare in Flammen stehen. Doch das wirklich Gruselige an der Sache ist: Mir wurde irgendwann bewusst, dass ich mit dem Knastleben klarkam. Als ich das letzte Mal eingebuchtet wurde, war ich nicht seelisch am Boden, sondern habe bloß geseufzt. Das ist übel. Man will niemand werden, für den es okay ist, wenn keine Aussicht mehr darauf besteht, das eigene Leben zu verbessern.

Es sind ja nicht die Philosophen, denen die höchsten Gehälter gezahlt werden. Intelligenz zählt weniger, als wir uns wünschen.

Ras Kass

Du bist in Watts aufgewachsen, einem Viertel von Los Angeles, das für seine Bandenkriminalität berüchtigt ist. Dort gab es vermutlich auch für dich eine Menge schlechte Vorbilder …
Klar, ich bin mit Leuten groß geworden, die sehr schnell sehr viel Kohle verdient haben. Wer auf diese Weise zu Geld kommt, weiß es nicht zu schätzen. Historisch betrachtet erben die Schwarzen in Amerika Schulden. Keiner im Viertel spart etwas, und am Ende müssen die Hinterbliebenen einen Kredit aufnehmen, um die Beerdigung ihrer Angehörigen zu bezahlen.

Wenn Gangster in deiner Nachbarschaft mit Autos, Schmuck und anderen Statussymbolen protzten – hast du das bewundert?
Sicher. Jeder Junge mag Mädels, und Mädels mögen Statussymbole. Du willst einfach der Typ im Viertel sein, dem das coolste Zeug gehört.

Erkaufte Zuneigung.
Ja, aber das ist nun mal so, und zwar in jeder Gesellschaft. Die Menschen schätzen finanziellen Erfolg. Es sind ja nicht die Philosophen, denen die höchsten Gehälter gezahlt werden. Intelligenz zählt weniger, als wir uns wünschen. Die Menschen bewundern stattdessen Leute, die einen verdammten Fußball durch die Gegend treten. Ich möchte niemanden beleidigen, aber es ist halt so, dass Sportlern mehr Achtung entgegengebracht wird als zum Beispiel Lehrern. Die Werte sind überall auf der Welt für den Arsch.

Folgendes Szenario: Du erhältst eine Milliarde, wenn du dafür ein Jahr auf der Straße lebst. Nimmst du das Angebot an?
Auf jeden Fall. Ich war ohnehin schon ein Jahr so gut wie obdachlos. Amerika sieht aus der Ferne hübsch aus, kann aber von Nahem betrachtet eine echt dreckige Schlampe sein. Es gab Zeiten, in denen ich nicht einen Dollar besaß. Monatelang steckte ich meine Karte in den Geldautomaten und musste auf dem Bildschirm lesen: „Guthaben: 59 Cent.“

Wie hat sich das angefühlt?
Furchtbar. Und alles, was man dann tun kann, ist hoffen und kämpfen.

Hattest du Angst, es nicht mehr aus dieser finanziellen Misere zu schaffen?
Natürlich. Ungewissheit macht Angst. Veränderungen sind eine furchterregende Angelegenheit, und mit 59 Cent auf deinem Konto bist du dem Wandel in der Welt fast hilflos ausgeliefert. Aber Heulen hilft dir nicht dabei, am Leben zu bleiben. Die Welt ist unfair. Auch im Geschäftsleben bekommt man nicht das, was man verdient, sondern das, was man für sich aushandelt. Das war mir nicht immer klar. Ich dachte, wenn ich hart arbeite, wird man mir das bezahlen, was meine Arbeit wert ist. So läuft’s aber nicht. Ich erkläre das gerne so: Zum einen gibt es den Typen, der das Haus mit seinen eigenen Händen baut, der aber fast gar nichts dafür bekommt. Dann ist da der Architekt, der sagt, wo es lang geht und der schon viel mehr Geld verdient als der erste Kerl. Und schließlich gibt es noch den Typen, der das Haus kauft, eine Bank draus macht und richtig abkassiert. Wer möchtest du sein?

Auf keinen Fall der Bauarbeiter.
Das sehe ich genauso.


Interview: David Kilian

Empfohlene Artikel